Klimts letztes Silvesterfest
Ausflug. In einer Jugendstilvilla in Olmütz feierte Gustav Klimt 1917/18 seinen letzten Jahreswechsel, wenige Wochen später war er tot. Das Haus kann heute besichtigt werden.
Die Presse, 30. Dezember 2023
Silvester zu Hause? Am städtischen Pfad oder doch mit Freunden in der Provinz? Gustav Klimt entschied sich für Letzteres. Es war ein besonderer Jahreswechsel von 1917 auf 1918. Der Erste Weltkrieg sollte erst im November beendet sein. Doch das würde Klimt nicht mehr erleben. Nach einem Schlaganfall im Jänner starb er am 6. Februar 1918. Sein letztes Silvester feierte er also noch mitten im Krieg. Auf Schneechaos und -sturm folgte in Wien ein kurzfristiges Tauwettergastspiel. Apropos Gastspiel: Zum Jahreswechsel dirigierte Willem Mengelberg drei Mal die Wiener Philharmoniker. Sonst gab es wenig sinnliche Freuden. Nahrungsmittel waren knapp, am Neujahrsmorgen schlug man sich in der Großmarkthalle Landstraße um serbisches Schweinefleisch…
Besser war die Versorgungslage auf dem Land. Noch besser, wenn man einer Einladung folgen konnte: Klimt hat seinen letzten Silvesterabend bei der Familie Primavesi im tschechischen Olmütz verbracht. Die Freundschaft beruhte auf einer geschäftlichen Beziehung – zwischen kunstaffiner Unternehmerfamilie und Künstler.
Klimts Spuren heute folgen
Wer nicht nur Klimts, sondern auch den Spuren der Primavesis folgen will, kann das – außer in Wien Hietzing, wo Hoffmanns Villa Primavesi steht – in Olmütz, der barocken, einstigen Hauptstadt Mährens, tun. Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatte Paolo Antonio Primavesi die Lombardei aus Angst vor Napoleon verlassen. Olmütz mit seiner Befestigungsanlage schien wenig gefährdet. Das kam dem Sicherheitsbedürfnis der durch Seidenspinnereien und Textilindustrien wohlhabend gewordenen Familie entgegen.
Auf dem Gelände eines barocken Spitals bauten Primavesis Nachfahren Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Jugendstilvilla, mit allen modernen Attributen, wie Zentralheizung, zentralem Staubsauger und hauseigenem Kraftwerk. Innen erinnert eine Hallenarchitektur an englische Landhäuser. Doch die Architekten kamen aus Wien: Franz von Krauß und Josef Tölk, keine Unbekannten, sie hatten schon die heutige Volksoper und das Kurhaus am Semmering geplant.
Der Bauherr, der Industrielle Otto Clemens Primavesi, geboren 1868 in Olmütz, hatte die Wiener Schauspielerin Eugenia Butschek geheiratet. Ihr Künstlername war Mäda, weltberühmt, weil Klimt sie gemalt hat. Doch nicht nur sie, sondern auch die Tochter Eugenia Gertrude Franziska, ebenfalls Mäda genannt, stand Klimt Modell.
1912 war der Auftrag an Klimt ergangen, das zweitälteste von vier Kindern, damals neun, zu malen. Mit am Rücken versteckten Händen steht das Mädchen dabei frontal, sie trägt ein lila Kleid, designt von Klimts Partnerin Emilie Flöge. Das Bild zierte das Herrenzimmer in Olmütz, heute hängt es im Metropolitan Museum New York. Auch Mutter Eugenia ließ sich porträtieren, als Weihnachtsgeschenk für ihren Mann. Klimt versandte das Gemälde in letzter Minute mit dem Postzug aus Wien nach Olmütz. Um wie viel komplexer werden wohl die Bedingungen der bisher letzten Reise des Gemäldes gewesen sein? Es hängt heute im Toyota Municipal Museum of Art in Japan (s. Abb.).
Bank war pleite, Ehe kaputt
Die Primavesis statteten ihre Olmützer Villa laufend mit weiteren Klimts aus, beispielsweise „Hoffnung 2“ (heute: MoMA);mitten im Krieg, 1916, erwarben sie „Litzlbergkeller am Attersee“ (Dauerleihgabe Leopold-Museum). Insgesamt besaßen die Olmützer Mäzene 17 Klimts. Doch die Familie, allen voran Cousin Robert, der in Hietzing die Hoffmann-Villa in der Gloriettegasse beauftragt hatte, unterstützte auch die Wiener Werkstätte, deren Hauptaktionär Otto seit 1915 war. In den wirtschaftlich schwierigen 1920er-Jahren übertrug Otto Anteile an seine Ehefrau, aber weder das Unternehmen noch die Ehe war mehr zu retten…
Die Olmützer Primavesi-Bank war nach dem Ersten Weltkrieg pleite, Klimt-Bilder mussten verkauft werden. Die Olmützer Villa, in der man zwölf Jahre lang gelebt und gefeiert hatte, wurde aufgegeben. Optisch im Klimt-Stil zeigt sich die Villa übrigens bis heute: Das Mosaik im Außenfoyer glitzert in bunten Farben und in Gold.
Doch mit Ende der Doppelmonarchie war auch der Glanz verflogen. Als das Haus zu einer privaten Klinik wurde, entstanden Operationsräume dort, wo einst in stilvollem Ambiente getafelt wurde. Im Kommunismus war das Gebäude verstaatlicht. Erst ab Ende der 1990er-Jahre erfolgte eine bauliche Wiederherstellung. Heute kann die Villa besichtigt werden, Führungen sind online buchbar. Auch als Hochzeitslocation ist sie beliebt. Dann darf wieder gefeiert werden.