Monets Bruder, der Farbenhändler

Paris. Der Bruder des Impressionisten Claude Monet war bisher unterschätzt: Eine Ausstellung im Palais du Luxembourg stellt den Farbenhändler jetzt erstmals näher vor.

[Musée du Luxembourg]

Eines der seltenen Porträts, die Claude Monet malte: Der Bruder, das Modell, mochte es nicht, es kam ihm wohl zu karikaturhaft vor. Für die Ausstellung wurde es jetzt aus dem Privatbesitz der Nachfahren geholt.

Ist die Methode der Familienaufstellung jetzt im Museum gelandet? Das Linzer Lentos hat aus Tübingen die Ausstellung „Geschwister“ übernommen -„Die Presse“ berichtete. Ein noch junges Forschungsgebiet in Psychologie wie Kunst. Selten hat man hier bisher nach den Brüdern und Schwestern der großen Namen gefragt -von van Goghs Bruder Theo einmal abgesehen.

Dem Thema der geschwisterlichen Familienkonstellation, konkret der Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten zweier Brüder, widmet man sich derzeit auch in Paris. Das Beispiel könnte prominenter nicht sein: Claude Monet und sein Bruder Léon, die eine Leidenschaft teilten: Farben. Léon machte die im 19. Jahrhundert aufkommenden synthetischen Farben zu seinem Berufsmittelpunkt. Er vertrat in Frankreich die Schweizer Firma Geigy, die Chemikalien, Farbstoffe und Heilmittel produzierte. Bei Basel befand sich das große Farbholz-und Farbextraktionswerk, wo aus Chrom, Cadmium, Cobalt und Zink erste nicht organisch gewonnene Farben erzeugt und bis nach Amerika und Japan exportiert wurden.

Er spekulierte mit der Farbe des Geldes

Schon in Jugendtagen hatte sich Léon für Chemie und alles Kaufmännische interessiert, während der vier Jahre jüngere Claude skizzierte und malte. War es für Claude die Farbe auf der Palette -dank der chemischen Farben dann auch in der Tube, was das Pleinairmalen erleichterte -, spekulierte León als Industrieller lieber mit der Farbe des Geldes. Er handelte aber auch mit Kunst, und zwar mit der seines Bruders: Als einer der Ersten kaufte er die damals verfemten Bilder Claudes und seiner Impressionistenkollegen. Wobei es ihm zu Beginn wohl weniger um Spekulation ging als darum, den Bruder finanziell zu unterstützen und die Ehre der Angefeindeten zu retten.

1874, im Jahr der ersten Gruppenausstellung der Impressionisten, malte Claude das Porträt seines Bruders. Es ist ein Ausnahmebild, denn Monet war kein Menschenmaler, schon gar kein Porträtist. Léon schien das Bild nicht zu gefallen, sogar versteckt soll er es haben. Die Darstellung eines in Schwarz gekleideten Herrn, Gesichtsausdruck zwischen gelangweiltem Dandy und spöttischem Kaufmann, mag der honorige Unternehmer als Karikatur empfunden haben. Dass es jetzt, nach fast 150 Jahren Schattendaseins, ausgestellt ist, verdanken wir den Nachfahren Léon Monets. Géraldine Lefebvre, Kuratorin und Monet-Forscherin, fiel auf, dass Bilder häufig aus der Sammlung Léons stammten. Sie nahm Kontakt mit der Familie auf – und stieß auf das Gemälde.

Sissi badete im nahen Schloss Außer dem wiederentdeckten Porträt gibt es kaum Zeugnisse dieser Bruderschaft. Umso mehr lohnt der Blick in die Augen Léons, der neben der Liebe zu den Farben auch die zur Landschaft der Normandie mit dem Bruder teilte. Diese entstand, als die Familie Monet 1845 von Paris nach Le Havre übersiedelte. In Les Petites Dalles, wo sich Reiche ihre Ferienhäuser bauten, leistete sich auch Léon ein solches, wo er auch den Bruder empfing. Man ging am Strand spazieren, ließ sich vom Wind kühlen -das Baden überließ man Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, die sich für diesen täglichen Genuss 1875 im nahen Schloss Sassetot-le-Mauconduit einquartierte. Was für großes Aufsehen sorgte.

Während Claude Monet als Sommergast zigmal die Alabasterküste mit ihren Felsformationen malte, steuerte Industriekapitän Léon sein Farbimperium. Und sammelte. Nicht nur Impressionisten, auch damals hochmodische japanische Stiche, deren Farbgebung den Chemiker faszinierte. Trotz der (räumlichen und emotionalen) Nähe zwischen den Brüdern gab es auch Konflikte: etwa als Léon einen Kredit von Claude zurückforderte. Oder als Léon nach dem Tod der ersten Frau Claudes Köchin heiratete. Trotzdem schenkte Claude dem Bruder zwei seiner ersten Zeichen-und Skizzenhefte, angefertigt als 16-Jähriger. Eines widmete er Léon: zur Erinnerung an die gemeinsame Jugend in Le Havre . . .

(Bis 16. Juli 2023, museeduluxembourg.fr)