Max Reinhardt & Helene Thimig

Im Exil zerbrach ihre Liebe

Buch. Der Theatermacher Max Reinhardt und seine Frau, die Schauspielerin Helene Thimig, lebten in Amerika getrennt. Sie verloren sich Briefe schreibend aus den Augen.

4. August 2023

Briefe, von Kalifornien nach New York und vice versa:Wer mit der Biografie des Regisseurs und Salzburger Festspielgründers Max Reinhardt vertraut ist, wird diesen Band mit Gewinn lesen. Doch Achtung! Schon Ehefrau und Briefpartnerin Helene Thimig warf ihm an den Kopf: „Es ist unglaublich, was für Gewichte Du auf einen legen kannst mit einer Depression.“ Sie lebte an der West-, er an der Ostküste. Die Korrespondenz liest sich wie das Protokoll eines mehrschichtigen Unglücks. Es fehlte an Geld. Der Schmerz über die Enteignung von Schloss Leopoldskron traf Reinhardt tief, war es doch er gewesen, der den „Ruhm dieser Stadt mit den Festspielen erneuert“ hatte.

Jeden Tag kämpfte Reinhardt darum, wieder Theater zu machen, wie er es in Europa verstanden hatte, den Fokus auf Schönheit und sinnliche Lebensfreude.Aber über seinem großen europäischen Welttheater war der Schlussvorhang gefallen. An der gemeinsam gegründeten Schauspielschule„Max Reinhardt Workshop of Stage, Screen and Radio“ unterrichtete Thimig. Das war für sie auch Therapie: „Ich muß etwas arbeiten, um zu leben“, schreibt sie. Die „Fähigkeit, mich auf andere zu übertragen“, sei vielleicht ihre einzige Art, „Kinder zu kriegen“. Gegenüber Reinhardt beklagte sie das „mangelnde Temperament“ der amerikanischen Eleven.

Der völlige Bankrott

Reinhardt mühte sich derweil in New York: „Es ist schwer, diese Leute vergnügt zu kriegen, umso schwerer, da sie ihre Rollen nicht können“, klagte er. Thimig lebte mit Hund und Hausangestellten in Hollywood, doch bald gab es kein Personal mehr. Je länger die Trennung dauerte, desto mehr machte sich auch Verbitterung breit. Der drohende Bankrott war nicht nur finanzieller Natur.Dem mantraartigen Schlusssatz jedes Briefes, „Ich liebe dich“, zum Trotz zerbricht die Liebesbeziehung. Einig ist man sich nur über das verrückte Wetter und Klima – infernalische Hitze, Stürme, Waldbrände. Es sei auch in London und Venedig heiß gewesen – doch „das alles ist nichts gegen die dumpfe wässrige Dampfheizung hier“.

Thimig, rationaler als Reinhardt, will selbstständig bleiben, und in Kalifornien. Als sie versucht, Gegenstände aus seiner Sammlung zu verkaufen, mahnt er: „Du neigst in solchen Krisen dazu, Dich mit spartanischen Grundsätzen selbst zu strafen. Das ist gewiss ein braves bürgerliches Schema. Aber es lohnt sich nicht und wird nicht belohnt. Das Bürgertum stirbt mit allen seinen Tugenden und Sünden… hierzulande existiert es überhaupt nicht. Die Einfachheit ist hier keine Entsagung, es ist nur Phantasielosigkeit.“

Auch daran krankt Reinhardt, der konzediert, dass es vielleicht gut sei, „daß zwei mal zwei vier bleibt… Ich finde mich, wie Du weißt, mit dieser zweifellos richtigen Rechnung schwerer ab, weil es in meinem Leben so oft durch irgendwelche im letzten Augenblick eingetretene Additionen fünf geworden ist.“ Der desaströsen Finanzsituation zum Trotz träumt Reinhardt davon, eine Rothschild-Immobilie zu kaufen. Politik wird in der Korrespondenz nur selten angesprochen, zur „Lustigen Witwe“ fällt Reinhardt ein: „Es soll die ausgesprochene Lieblingsmusik des Führers sein. (Wagner liebt er nur als germanischer Staatsmann. Seine private Schlieferl-Seele gehört dem Lehár.)“ Gemeinsam hoffte man, dass am „Ende von soviel Übel doch etwas Gutes“ entstehen könnte, etwa „ein Land für die Juden – vielleicht in Afrika“.

„Wir sind halt auseinander“

Für Reinhardts Lebensweg blieb wenig Hoffnung. Die Trennung von Helene hätte „nichts gebracht und das Doppelte gekostet. Wir sind halt auseinander. Dieses Faktum ist durch nichts aufzuwiegen, mit nichts zuzudecken und nicht zu betäuben. Es ist zu spät in meinem Leben, um damit fertigzuwerden.“ Als Helene Thimig nach Reinhardts Schlaganfall endlich in New York an seinem Bett eintrifft, ist er nicht mehr ansprechbar. Die Rivalin, Eleonora von Mendelssohn, pflegt ihn.

Schon früh hatte er geschrieben: „Ich glaube, daß alles, alles einen Sinn hat. Aber ich kann ihn nicht herauskriegen.“ Es gebe zwar nur ein Gebot, seine „Lebensbedingungen zu erkennen“ und sie sich, „so gut es eben geht, zu schaffen“. Doch sogar Mehlspeisen habe er „gänzlich abgeschafft: Sie werden doch nicht gut gemacht.“