»Dein Valentin« schrieb er mit seinem Blut
Kulturgeschichte. Wie aus einer Märtyrerlegende das eifrig vermarktete Fest der Liebenden wurde, mit Grüßen und Geschenken: zum heutigen Valentinstag
14. Februar 2022 („Die Presse“)
Es ist kein Valen-Dienstag. Heuer fällt der 14. Februar auf den Montag. Der Tag gilt den Blumen und — Valentin. Als Vorname, der sich vom lateinischen „valere“ für „stark sein“ ableitet, rangiert er im deutschsprachigen Raum stets unter den Top Hundert, in manchen Jahren unter den Top Fünfzig.
Valentin klingt in vielen Sprachen gut. Vor allem aber im Italienischen: Der Marketing-Instinkt des Modezaren Garavani, der heuer im Frühling neunzig wird, ließ ihn unter seinen drei Vornamen Valentino, Clemente und Ludovico instinktiv den klingendsten wählen. So wurde Valentino zu einem Welt-Label. Geprägt von drei Farben: Schwarz, Weiß, vor allem aber das „Valentino-Rot“ für die Abendroben. Rot, als Farbe der Liebe und des Lebenssafts, führt auch tief hinunter zu den Wurzeln des Valentin-Mythos, zum Blut der Märtyrer.
Schon in der römischen Antike hatte der 14. Februar eine besondere Bedeutung. Die Göttin Juno, auf deren Altar man an diesem Tag Blumen legte, war zuständig für Ehe- und Liebesangelegenheiten. Man fragte sie um Rat bei Beziehungsproblemen. Manches Single-Problem löste man pragmatisch: In einem Liebeslotto zogen bindungswillige Frauen einen Mann. Doch bloß für ein Jahr! Diese „Schadensbegrenzung“ war charakteristisch für Juno, die auch für das Abwenden von Gefahren angebetet wurde.
Auch Vögel sollen sich nun paaren
Im Mittelalter sollten die Bauern ab dem 14. Februar die Arbeit auf dem Feld wieder aufnehmen. Die Periode des Kerzenlichts war beendet. Ähnlich wie zu Lichtmess fanden auch am 14. Februar, dem „Vielliebchen-Tag“, Lichterprozessionen statt — mit weißen Kerzen für Männer und roten für die Frauen. Stets war das Datum mit Frühlings-Initiationsriten und -mythen verbunden: Die Bäume sollten ab diesem Tag neue Wurzeln schlagen, die Vögel beginnen, sich zu paaren und Nester zu bauen.
Der Brauch des Blumenschenkens könnte etwas mit der Legende um den Heiligen Valentin zu tun haben. Dieser war Bischof der nördlich von Rom gelegenen Stadt Terni. Kaiser Claudius II. war verärgert über die Gehorsamsverweigerung der jungen Christengemeinde. Ein gewisser Valentin war besonders obstinat. Er bezahlte das mit seinem Leben: Am 14. Februar 269 wurde er nach Marterungen auf der Via Flaminia geköpft. Was war sein Verbrechen gewesen? Er war ein Verbündeter der Liebenden! Der Kaiser wollte verhindern, dass seine Soldaten Christen wurden und sich christlich trauen ließen. Er sah die Männer lieber im Krieg als zu Hause, bei ihren Ehefrauen. Doch Valentin „verheiratete“ weiterhin Liebespaare und soll ihnen Blumen über die Klostermauer gereicht haben. „Valentins-Grüße“ leiten sich ebenfalls von seiner Legende her: Vor seinem gewaltsamem Tod ließ der Kaiser diesen Valentin noch ins Gefängnis werfen, wo er die blinde Tochter des Kerkermeisters geheilt haben soll. Plötzlich konnte das Mädchen sehen und das mit Blut geschriebene „Dein Valentin“ lesen — der erste, hochdramatische Valentinsgruß.
Das christliche Valentins-Gedenken war in der Folge so bedeutsam, dass Papst Gelasius 469 den Gedenktag einführte. Anlässlich des Zweiten Vatikanums wurde er 1969 aus dem Generalkalender gestrichen. Doch da war das Wünschen und Schenken nicht mehr auszurotten.
Im 19. Jahrhundert entstand in England einer regelrechte Liebesgaben-Maschinerie mit dazugehöriger Poesie-Manufaktur. Schon 1797 erschien in England „The Young Man’s Valentine Writer“, eine Sammlung von Textbausteinen für Gedichte von Lovern, die nicht von der Muse geküsst waren, aber dennoch schriftliche Liebesgrüße übermitteln wollten. Eine Flutwelle von Valentinskarten, „Fancy Valentines“ mit Maschen und echter Spitze, überschwemmte bald England, die USA und Kanada.
Seit in den 1860er-Jahren der englische Schokoladenerzeuger Cadbury herzförmige Schokobonbonnieren auf den Markt gebracht hatte, zog auch der Brauch der Liebespräsente immer weitere Kreise.
Dirndl, Sugo — und frecher Rap
Nach Westdeutschland wurde das Kommerzfest durch US-Soldaten importiert, die während der Besatzungszeit im Land stationiert waren. Das Wirtschaftswunderland sprang auf den Zug des neuen Schenk-Feiertags im Februar freudig auf.
Uta Matschiner, Kunsthistorikerin aus dem niederösterreichischen Sankt Valentin, weiß um die tief in der Tradition wurzelnden Bräuche. In ihrer Stadt hat man noch bis vor kurzem am 14. Februar gern Doppelhochzeiten in der alten Kirche gefeiert. Ein Schneidersalon vor Ort hat regionale Valentins-Dirndln genäht. Heuer gibt es immerhin „Sugo amore“ aus niederösterreichischen Paradeiserplantagen und heimische Sankt-Valentins-Kräuter, mit denen die Stadt ihrem Namenspatron huldigt.
Wer sich weder für Haute Couture à la Valentino, noch für das Sankt-Valentins-Dirndl, aber auch nicht für Blumen oder Kräuter entscheiden will, kann seine Liebe auch immateriell ausdrücken — durch einen Musikgruß. Ein Klassiker wäre die Arie aus Gounods „Faust“, in der Valentin hingebungsvoll wie ein Märtyrer das Heil seiner geliebten Schwester besingt. Ein Ohrwurm, der in der Urfassung der Oper übrigens noch fehlte. Man kann „Valentino“ aber auch von 24kGoldn frech rappen lassen — oder Paul McCartney um „My Valentine“ bitten . . .